Seit dem 1. Mai 2002 ist das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) in Kraft. Es handelt sich um eine Konkretisierung des Artikels 3, Abs. 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland:
Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Seit dem 1. Januar 2003 müssen alle bestehenden Internetseiten der öffentlichen Hand barrierefrei gestaltet sein. Ab 2005 sollen Behörden und Organisationen dann nur noch barrierefreie Internetseiten anbieten. So sieht es das so genannte Behindertengleichstellungsgesetz vor, das im Mai 2002 mit großer Mehrheit im Parlament beschlossen wurde. Mit "Barrierefreiheit" ist dabei der ungehinderte Zugang zu Informationen im Internet für Menschen mit Behinderungen gemeint. "Barrieren" im Internet sind oft auf kleine Nachlässigkeiten im HTML-Code zurückzuführen, die den meisten Nutzern gar nicht auffallen, weil ihr Browser sie unmerklich korrigiert. Bilder ohne Erklärungstexte, Datentabellen als Layout-Hilfsmittel und unleserlich kleine Texte sind die häufigsten Hindernisse. Doch auch professionell gemachte Seiten enthalten häufig versteckte "Barrieren". So können etwa Werbebanner, die mit einer Frequenz von 20 Hertz flackern, bei Menschen mit fotosensitiver Epilepsie Anfälle auslösen.
Insbesondere Blinde stoßen bei Seiten, die nicht barrierefrei zugänglich sind, auf enorme Schwierigkeiten. Eine Internetseite beispielsweise, die aus vielen Grafiken besteht, lässt sich nicht durch die von Blinden eingesetzten Software-Programme übersetzen. Im Sinne der Barrierefreiheit müsste diese Seite (notdürftig) durch Texte ergänzt werden, die beschreiben, um was es sich bei der Grafik handelt. Das Internet ist eine Ansammlung farbenprächtiger, blinkender Texte und Bilder, die bereits einem sehenden Nutzer gelegentlich volle Konzentration abverlangen. Sehbehinderte und blinde Menschen dagegen haben bei schlecht strukturierten Seiten nahezu keine Möglichkeit, die Inhalte in ihrem Kopf zu ordnen. Zahlreiche Features, die das Internet für Sehende erst richtig attraktiv machen, erweisen sich dabei als Problem. Beispielsweise sind in Flash oder Java programmierte Seiten sehr schwer zu erkennen. Auch wenn die Schrift als Grafik dargestellt ist, gibt es öfter Probleme, da die Hilfsmittel der Menschen (Braillle-Schriftübersetzer, "Vorlese"-Programme) mit Sinnes- und Körperbehinderungen diese Formate nicht auslesen und übersetzen können. WEB for ALL, ein Projekt für Barrierefreiheit im Internet, bietet nun eine Broschüre mit zahlreichen konkreten Empfehlungen für ein barrierefreies Webdesign an. In der Broschüre wird in 16 Kapiteln erläutert, welche Barrieren bestehen können und wie man sie verhindert. Behandelt werden sowohl die gängigen Elemente von Internetseiten wie Bilder, Farben, Schriften und Links als auch Besonderheiten, wie etwa mit Vordrucken, Textdateien und speziellen Techniken umgegangen werden soll. Ferner werden konkrete Grundregeln formuliert, die das Wichtigste in Sachen Barrierefreiheit zusammenfassen:
1. Klare Menüstruktur, einfache Navigation:
Möglichst kurze und übersichtliche Menüs, schnelle Orientierung und Transparenz der Inhaltsstruktur, vom Überblick zum Detail. Dies ist besonders wichtig für blinde Menschen, die mit der Tabulatoren-Taste nacheinander von Link zu Link springen (die Links werden durch die Sprachausgabe vorgelesen oder durch die Braillezeile angezeigt). Oder für Menschen mit eingeschränkter Motorik der Arme und Hände (sie steuern den Cursor nicht mit der Maus, sondern z.B. mit der Tastatur, einer "Kopfmaus" oder einem Joystick). Eine einfache Navigation ist natürlich auch für alle Nutzer von großem Vorteil.
2. Alle Informationen stehen als Text zur Verfügung:
Nicht selten werden bei Web-Auftritten normale Texte oder Überschriften und Vorspänne als Grafik-Dateien gestaltet und abgelegt. Grafiken stehen jedoch blinden Menschen nicht als Information zur Verfügung. Grundsätzlich gilt deshalb: Alle relevanten Inhalte müssen als Text vorhanden sein (z.B. auch bei Schaubildern, Übersichten und Zahlentabellen). Bei Online-Formularen die Felder für Einträge nicht leer lassen, sondern "vorbelegen" (z.B. durch "Bitte Namen eintragen"), da hierdurch die Zuordnung von Anweisung und Aktion gegeben bleibt.
Wenn Tabellen zur übersichtlichen Gestaltung von Informationen verwendet werden, ist die Logik des Textes zu berücksichtigen, damit ein Textbrowser (den blinde Menschen verwenden) den Inhalt in einer sinnvollen Reihenfolge vorlesen kann. So sollten z.B. die Überschriften der Textzellen nicht vom Inhalt separiert werden, sondern in der selben Zelle stehen, da i.d.R. die Zellen von links nach rechts interpretiert (z.b. vorgelesen) werden.
3. Grafiken und Bilder mit "Alt-Text":
Grafiken und Bilder sind z.B. für gehörlose Menschen ausgesprochen wichtige Informationen, für blinde Menschen aber nicht "lesbar". Alle grafischen Elemente (z.B. Menü-Buttons oder Logos) und Bilder müssen deshalb mit "Alt-Texten" hinterlegt werden, damit sie blinden Menschen zugänglich sind. Alt-Texte werden für Sehende angezeigt, wenn man mit der Maus auf die Grafik oder das Bild geht. Bei Menü-Buttons oder Logos sollte der Alt-Text die gleiche Bezeichnung haben wie der sichtbare Text. Alle grafischen Elemente sind so zu gestalten, dass sie auch für sehbehinderte Menschen gut lesbar sind (z.B. Schriftgröße bei grafischen Menü-Buttons). Generell besser ist es jedoch, auf Grafiken bei Menüs und ähnlichem zu verzichten.
Bei der Belegung einer Grafik mit dem sogenannten ALT Parameter (<img src="bild.jpg" alt="Beschreibung der Grafik">) ist darauf zu achten, daß inzwischen manche Browser den Parameter TITLE für diesen Zweck benutzen. Das heißt um möglichst kompatibel zu bleiben, muß die Beschreibung doppelt angegeben werden: <img src="bild.jpg" alt="Beschreibung der Grafik" title="Beschreibung der Grafik">.
4. Trennung von Information und Layout:
Achten Sie bei der technischen Realisierung Ihrer Website auf den Einsatz von CSS (Cascading Style Sheets) und HTML 4. Mit Hilfe dieser Standards können Inhalte und Layout strikter voneinander getrennt werden. Hierdurch ist es für behinderte Menschen einfach, sich alle Inhalte ohne das grafische Layout zu erschließen. Der Einsatz von CSS ist für Sie außerdem ein relevanter Faktor zur Einsparung von Kosten, denn bei einem Relaunch Ihrer Website muss nicht alles neu programmiert oder eingepflegt werden; das Layout z.B. wird einfach neu definiert, die bisherigen Inhalte bleiben erhalten.
Testen Sie jedoch vor der Veröffentlichung von Webseiten diese unbedingt mit verschiedenen Browsern. Websites, die nur auf einen bestimmten Browsertyp abgestimmt sind, schließen nicht nur bewusst andere aus, sondern sind i.d.R. auch nicht barrierefrei. Zudem hat die Erfahrung gezeigt, dass auch die Browsertypen sich in ihrer Entwicklung verändern, und somit u.U. vorige spezielle Eigenschaften nicht mehr aufweisen. Gerade bei CSS 2.0 - einer noch recht neuen Entwicklung - reagieren die verschiendenen Browsertypen und -versionen leider noch oft unterschiedlich: Opera, Mozilla bzw. Firefox, Netscape, AOL-Browser, InternetExplorer, Safari, Lynx, um nur ein paar zu nennen. Aus dem Grund der maximalen Kompatibilität ist z.B. das Layout der Websites der TU Darmstadt noch nicht vollständig auf CSS umgestellt worden.
5. Website auch ohne Java und Flash verständlich:
Java- und Flash-Animationen werden z.B. als "Intro" für Web-Auftritte eingesetzt und dienen der attraktiven Gestaltung. Auch für Menschen mit spezifischen Behinderungen (z.B. geistige Behinderung oder Lernbehinderung) können solche grafischen Effekte durchaus nützlich sein. Für blinde Menschen jedoch sind diese Animationen nicht lesbar. Achten Sie deshalb darauf, dass Ihre Website auch dann verständlich bleibt, wenn Java und Flash ausgeschaltet sind (unter den "Einstellungen" des Browsers kann man oft dieses deaktivieren).
6. Schriftgröße kann variiert werden:
Bei den gängigen Browsern kann z.B. die Schriftgröße der Texte "skaliert" werden (unter "Einstellungen"). Sehbehinderte Menschen können die Schriftgröße so ihren individuellen Bedingungen anpassen. Achten Sie darauf, dass die Schriftgröße bei Ihrer Website skaliert werden kann und das Layout nicht dabei völlig zerstört wird. Viele Websites sind leider außerdem für eine bestimmte Bildschirmauflösung optimiert. Beachten Sie, dass Ihre Website auch mit anderen Bildschirmauflösungen als der gewählten Standardauflösung noch lesbar bleibt.
7. Klare Farbkontraste:
Für sehbehinderte Menschen sind deutliche Farbkontraste äußerst wichtig, vor allem im Verhältnis Text-Hintergrund. Darauf ist generell beim Web-Design zu achten. Bei den gängigen Browsern lassen sich außerdem die Text- und Hintergrundfarben nach eigenem Wunsch verändern (unter "Einstellungen"). Sehbehinderte oder farbenblinde Menschen können so ihre jeweils optimale Farbkombination auswählen. Achten Sie darauf, dass bei Ihrer Website eine entsprechende Möglichkeit besteht, z.B. bei einer Deaktivierung der Style Sheets (siehe Punkt 4).
8. Einfache Textgestaltung:
Komplizierte und langatmige Texte sind für jeden ein Gräuel. Achten Sie auf eine verständliche und gestufte Textgestaltung. Die großen Online-Magazine machen es vor: Kurze Zusammenfassung auf der ersten Seite, ausführlichere Information auf der Folgeseite, Hintergrundinformation durch weitere Links. Eine "gestufte" Information ist generell von Vorteil für Ihren Auftritt. Außerdem ist es z.B. für Menschen mit Lerneinschränkungen äußerst nützlich, wenn sie die Kerninformation erfassen können.
9. Eindeutige Bezeichnung der Links:
Alle Links und Navigationselemente (z.B. Buttons) möglichst kurz und prägnant halten und eindeutig als Links kennzeichnen. Nicht nur der blinde Nutzer braucht eine schnelle und klare Orientierung, wohin der Link führt. Bei der Folgeseite jeweils die identische Link-Bezeichnung als Überschrift wieder aufgreifen (damit man sofort weiß, dass man auf der richtigen Seite gelandet ist).
10. Audio und Video mit Textfassung:
Audio- und Video-Informationen sind z.B. gehörlosen Menschen nicht zugänglich. Achten Sie darauf, dass entsprechende Dateien durch Textfassungen ergänzt werden: Falls verfügbar durch eine komplette Textfassung (Transskript) oder zumindest durch ein Summary.